Von Erich Später, Geschäftsführer der Heinrich-Böll-Stiftung Saar
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Das historische Museum des Saarlandes ist stolz auf die teuerste Anschaffung seiner Geschichte. Der wie ein Wunder gefeierte Kauf von sieben Monumentalgemälden, die der Hofmaler der Hohenzollern und Günstling von Kaiser Wilhelm II Anton von Werner (1843-1915) zur Feier des Sieges über Frankreich und der Gründung des Deutschen Kaiserreiches in den Jahren zwischen 1871 und 1880 angefertigt hat, lässt die Leitung des Museums jubilieren. Es sei ein 55 m² großes Denkmal auf der Leinwand, monumentaler regionalhistorischer Schatz, nationales preußisches Denkmal, ein echtes Highlight! Man will die Gemälde aufbereiten, das „Making of“ nachvollziehen, so der Museumsdirektor Simon Matzerath! Dabei sind diese Gemälde nichts weiter als militaristisch-propagandistischer Kitsch, der an Feindseligkeit gegenüber Frankreich kaum zu überbieten ist.
Der Urheber Anton von Werner war seinerzeit ein politischer Reaktionär und unterstützte die staatliche Verfolgung („Kulturkampf“ und “Sozialistengesetze“) der katholischen und sozialistischen „Feinde“ des durch Krieg entstandenen deutschen Kaiserreichs. Als mächtiger Höfling der Hohenzollern kämpfte er Zeit seines Lebens mit allen Mitteln gegen die künstlerische Moderne und ihre Vertreter. Neben den Reichsfeinden verachtete er Künstlerinnen. Den Frauen sprach er jede Kreativität ab und verhinderte erfolgreich in seiner 40-jährigen Amtszeit als Direktor ihre Zulassung an der Berliner Kunsthochschule.
Nach dem sinnlosen Massaker auf dem Spicherer Berg 1870 und dem darauffolgenden Sieg im Krieg über Frankreich wurde in einer abscheulichen Zeremonie im Versailler Schloss das Deutsche Reich gegründet. An der Spitze des triumphierenden deutschen Feudaladels stand Reichskanzler Bismarck. Fortan wurden die rund um Saarbrücken liegenden Schlachtfelder und zahllosen Kriegsdenkmäler zu Pilgerorten der Deutschnationalisten und Militaristen. Unumgänglich dabei die Besichtigung des sogenannten Saarbrücker Rathauszyklus als dem Symbol des Triumphes über Frankreich. Darunter ein in echtem Gold gerahmter Bismarck, der heute live im saarländischen Historischen Museum restauriert wird.
Gegen Ende des II. Weltkriegs und Millionen Tote später, wurden die Gemälde vor den alliierten Bomben gerettet und versteckt gehalten. Schon 1956 forderten seine Fans in Saarbrücken die Rehabilitierung des Hofmalers. Ein Blick in die Protokolle der Sitzung des Saarbrücker Stadtrates vom 25. September 1956 zeigt, dass die sieben Monumentalschinken Anton von Werners Gegenstand einer heftigen Debatte der Parteien waren. SPD, KPD und die Anhänger der christlichen Volkspartei (CVP) von Johannes Hoffmann waren entschieden gegen eine Restaurierung. Die stärkste Fraktion im Stadtrat, die Demokratische Partei Saar (DPS) mit ihrem Vorsitzenden Heinrich Schneider war bedingungslos dafür, der Koalitionspartner CDU war gespalten.
Zu dieser Zeit säuberte die sogenannte „Straßenumbenennungskommission“ unter der Leitung des ehemaligen Gauredners der NSDAP, demselben Heinrich Schneider, die Stadt von ihrer antifaschistischen und französischen Erinnerungskultur. So kamen regionale Feudalherren, Hindenburg, siegreiche preußischen Generäle, NS-Deutschland (Straße des 13. Januars), und NS-Verbrecher wie Neikes und Hitlers Wehrmacht wieder zu Ehren. Geplant war sogar der Wiederaufbau des Winterberg Denkmals. Gelöscht aus dem Saarbrücker Straßenbild wurden Franzosen wie Descartes und Molière, Sozialisten und Widerstandskämpfer wie Max Braun, Heinrich Barth und Johanna Kirchner.
Ein besonderes Anliegen war Schneider und seinen ehemaligen Nazikumpanen der Kampf gegen „undeutsche Kunst“ und die französische Literatur und Sprache. In diesem Kontext wird die Säuberung des Saarlandmuseums von „entarteter“ Malerei gefordert. Sein Leiter Rudolf Bornschein wurde von Schneider und der DPS-Presse in Nazi-Manier beschimpft. Er hatte es gewagt, als erster Museumsdirektor in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg Werke von Künstlern anzukaufen, die von den Nazis als „entartet“ verfolgt wurden. Stattdessen sollte in den Augen Schneiders und seiner Mitstreiter die Verherrlichung Preußens und seiner Monarchen wieder ausstellungswürdig werden. In den Saarbrücker Museen hatte sie von 1945 bis 1955 keinen Platz mehr. Im Saarbrücker Stadtrat stand nun Anton von Werner gegen das von Schneider besonders gehasste „Blaue Pferdchen“ von Franz Marc – die preußische Militärmonarchie gegen Demokratie und Republik.
Glücklicherweise verschwanden diese Bilder 70 Jahre lang aus der öffentlichen Wahrnehmung. Die saarländische Öffentlichkeit bedauerte den Verlust wohl kaum. Der Krieg von 1870/71 und Preußen werden zudem im Rathausfestsaal der Landeshauptstadt noch immer gefeiert. Nun sind im Jahr 2020 die Lieblinge Heinrich Schneiders wieder aufgetaucht, und sollen, teuer bezahlt, die Saarländer erfreuen.
Und welches Denkmal bauen wir als nächstes wieder auf? Die Kaiser-Wilhelm Statue auf der alten Brücke?
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